Wie sich die Kirchen trennten

Orthodoxe und Katholiken gehen seit dem Jahr 1054 getrennte Wege. Die Trennung fand in Konstantinopel statt, als Humbert von Silva Candida die Exkommunikationsbulle des Papstes auf den Altar der Hagia Sophia legte. Patriarch Michael I. exkommunizierte die Kirche von Rom zur selben Zeit. Dieses Ereignis gilt als eine radikale Zäsur. Allerdings war die Trennung ein langer Prozess, der im 6. Jahrhundert begann und im 16. Jahrhundert endete.

von danastajic016 und lynettelhm – pixabay

Die Trennung der heutigen katholischen und orthodoxen Kirche erstreckte sich über viele Jahrhunderte. Schon in den frühen Jahrhunderten gab es viele theologische Positionen, die die Kirchen trennten. Im Jahr 529 wurde die Erbsünde durch die Synode von Orange zum Glaubensgrundsatz der Westkirche erklärt. Der Azymenstreit, der sich um die Frage drehte, welches Brot für die Kommunion verwendet werden sollte, befeuerte die theologischen Debatten weiter. Später, als Karl der Große von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt wurde und Gebietsansprüche an Byzanz stellte, zeigte sich eine zunehmende Zerspaltung der Kirche.

Ost und West – Ein Unterschied

Seit der Entstehung der ersten Gemeinden stand der philosophische Osten dem juristisch-politischen Westen gegenüber. Der Osten wurde von vielen Philosophen wie Aristoteles oder Platon geprägt. Letzterer hat insbesondere die Orthodoxie nachhaltig beeinflusst. Der Westen hat aufgrund seines großen Verwaltungsapparates, der eines der wichtigsten Vermächtnisse des alten Roms war, beibehalten. Auf der einen Seite wurden viele Theologen wie Chrysostomos oder Basileos zu Heiligen erklärt. Auf der anderen Seite standen Augustinus oder Tertullian, die mehr Wert auf Regeln als auf Theologie legten.

Beide Traditionen unterscheiden sich voneinander, was sich auch in der Heiligenverehrung widerspiegelt. Die unterschiedlichen Denkweisen zeigten sich auch in den theologischen Fragestellungen. Die Orthodoxe Kirche versuchte, die Theologie mit Hilfe des Platonismus zu erklären. Zudem bezog sie sich auf Dionysius von Areopagita, der den Grundstein für die Negativtheologie legte. Die Kirche von Rom legte hingegen einen starken Fokus auf die Lehren des Augustinus von Hippo, der die Sündhaftigkeit des Menschen in den Vordergrund stellte.

Theologische Defizite

Es gab zwei wesentliche Unterschiede in den Theologien: Das philosophische Byzanz verzichtete größtenteils auf eine Dogmatisierung der Glaubensgrundsätze, während Rom aufgrund seiner juristischen Vergangenheit die Lehre festlegte. Trotzdem haben sich die Kirchen nie getrennt, sondern immer wieder betont, dass sie ein Leib seien. Vor allem bei grundlegenden christologischen Fragen, die in den ersten sieben ökumenischen Konzilen diskutiert wurden, waren sie einer Meinung.

Es gab jedoch einige bedeutende Auseinandersetzungen. Der Azymenstreit, der die Form des Brotes bei der Kommunion betraf, war einer davon. Sollte das Brot wie in der Bibel erwähnt, gesäuert oder ungesäuert, wie es aus der jüdischen Tradition stammte, verwendet werden? Die Meinungen waren geteilt, denn die orthodoxe Kirche benutzt gesäuertes Brot für die Eucharistie, während die katholische Kirche ungesäuertes Brot verwendet, welches als Hostie bekannt ist. Ein weiterer umstrittener Punkt war das Filioque. Dieser Glaubensgrundsatz besagt, dass der Heilige Geist sowohl vom Vater als auch vom Sohn stamme. Diese Idee entstand in Rom und wurde von der östlichen Kirche skeptisch betrachtet. Erst im Jahr 1215, lange nach der Trennung zwischen Ost und West, wurde das Filioque zum Dogma der katholischen Kirche erklärt. Ebenfalls bedeutend war die Erbsündelehre, die auf der Synode von Orange festgelegt wurde. Allerdings war keiner der Diskurse ein wirklicher Grund für die Trennung im Jahr 1054, da die Ideen schon lange vor dem Schisma entstanden und in Byzanz über Jahrhunderte bekannt waren.

Machtkampf

Der wahrscheinlichste Grund für die Trennung liegt in der politischen Situation. Seit der Tetrarchie residierte der Kaiser des antiken Roms nicht mehr regelmäßig in der Hauptstadt, was zu einer Verschiebung der Machtpositionen im Osten Europas führte. In Rom entstand ein Machtvakuum, das der Papst teilweise ausfüllte. Im Gegensatz dazu war es in Byzanz der Kaiser, der hauptsächlich Theologie betrieb und in Rom, aufgrund fehlender Herrschaft, der Papst die Führung übernahm. So stand der Patriarch von Konstantinopel sowie die im Exil lebenden Patriarchen von Antiochien, Jerusalem und Alexandrien direkt unter dem Einfluss des Kaisers. Dieser Einfluss zeigte sich insbesondere in theologischen Diskussionen: Sobald der Patriarch eine abweichende Meinung zum Kaiser vertrat, wurde er abgesetzt und ein neuer Patriarch wurde ernannt. In Rom war dies nicht der Fall.

Das Machtvakuum in Rom wurde durch die Krönung Karls des Großen durch Papst Leo III. vollständig gefüllt. Der neue Herrscher hinterfragte die Legitimität der byzantinischen Kaiserin Irene und trat an ihre Stelle. Das führte zu territorialen Ansprüchen auf italienische Inseln, die noch zum Byzantinischen Reich gehörten, sowie auf Teile des heutigen Albaniens. Diese Konfrontation beeinflusste auch die Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel. Besonders interessant ist, dass zwei politische Führer einen starken Einfluss auf die Trennung der Ost- und Westkirche hatten. Letztendlich führten politische Probleme zu dieser Spaltung. Die theologischen Differenzen wurden im Laufe der Jahre immer wieder vernachlässigt, insbesondere beim Konzil von Ferrara und Florenz. Daher waren politische Probleme das Hauptproblem, das gelöst werden musste.

Alexander Radej