Warum in die Kirche gehen?

In die Kirche gehen, beten, fasten. All das scheint in der Orthodoxie in weite Ferne gerückt zu sein. Die Ausreden, nicht in den Gottesdienst zu gehen, sind vielfältig. Sie reichen von mangelndem Ehrgeiz über Kritik an der Kirche bis hin zur völligen Leugnung Gottes.

von dimitrisvetsikas1969 – pixabay

Ich gehe nicht in die Kirche!

Gott ist überall, dafür muss ich nicht in die Kirche gehen. Zu Hause beten ist besser. Zum Kirchgang habe ich im Leben genug Zeit. Und außerdem: Wer glaubt schon an diesen Quatsch mit Tod und Auferstehung? Ich glaube zwar, dass da oben was ist, aber an die Kirche glaube ich nicht. Ich bin da nur hineingeboren. Als Kind habe ich an Dinge wie den Nikolaus, den Osterhasen oder Christus geglaubt. Jetzt bin ich erwachsen und zweifle an diesen Märchen.

Und die Kirche? Die klaut uns armen Leuten doch nur das Geld. Ich brauche das Geld selbst. Wenn die Kirche Armut predigt, dann sollen die Priester auch in Armut leben. Sie sollen ein Vorbild sein! Die Bischöfe sind das Schlimmste, die fahren alle einen BMW. Die fahren jeden Tag mit dem Auto in eine andere Stadt und besuchen Kirchen. Aber weil das meistens Mönche sind, die wissen, wie es geht. Die haben noch einen richtigen Glauben.

Ich suche mir lieber einen Ersatz für Religion. Eine, die zu mir passt! Zum Beispiel eine Mischung aus Buddhismus, Yoga und ein bisschen Christentum. Vielleicht noch nordische Religionen, weil die meinen Mut und meinen Stolz repräsentieren. Aber das Christentum ist mir suspekt. Aber der Dalai Lama, der sagt schon tolle Sachen. Deshalb finde ich den heiligen Seraphim von Sarow oder den heiligen Nikolai Velimirovic toll. Die hatten noch was zu sagen. Aber die heutigen Priester sind langweilig. Da schaue ich mir lieber Konfuzius an.

Oder ich werde Schamane oder Buddhist. Dann kann ich meine spirituelle Seite ausleben. Die Energien in meinem Körper, das erklärt mir die orthodoxe Kirche nicht. Der Buddhismus hat mir gezeigt, wie ich durch Meditationstechniken mein Mitgefühl steigern kann. Die Kirche kennt nur Christus und die Vergebung. Ich brauche keine Vergebung, weil ich in meinem Leben alles richtig mache. Deshalb will ich auch nicht zur Beichte gehen, das ist nur ein Witz.

Gute Gründe in die Kirche zu gehen?

Alles, was hier parodiert wurde, wird tatsächlich von Gläubigen behauptet. Vielleicht erkennt sich der eine oder andere wieder. Aber es gibt wirklich gute Gründe, in die Kirche zu gehen. Denn die Kirche ist keine Institution, die den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen will. Es geht darum, die Gemeinde zu unterstützen und die Kirche zu finanzieren. Außerdem muss in der Kirche niemand hungern und der Arme kann auch ohne Geld seine Kerze anzünden. Schließlich ist eine Gemeinde immer eine Gemeinschaft. Keiner lebt und stirbt allein. Auch der Priester muss, wenn er Familie hat, diese ernähren. Steuern und Heizkosten für die Kirche zahlen sich nicht von selbst.

Niemand ist perfekt. Das merkt man auch in der Kirche. Streit und Probleme sind normal. Auch der Pfarrer ist das eine oder andere Mal in Auseinandersetzungen verwickelt. Denn die Kirche ist ein Krankenhaus für die Seele. Weil kein Mensch vollkommen ist, kann man nicht ohne Sünde leben. Aber der Mensch kann besser werden im Umgang mit anderen. Das ist auch ein wichtiger geistlicher Aspekt. Der Mensch wird durch die Kirche geläutert. Die Beichte, die Liturgie, all das gehört zum geistlichen Leben. Es geht darum, Disziplin zu üben und Fehler zuzugeben. Niemand ist fehlerfrei, und das gibt die Kirche offen zu. Es ist wie mit der Körperhygiene: Irgendwann will ich mich nicht mehr waschen, weil ich schon schmutzig bin.

Zu Hause beten? Natürlich, das soll man tun! Aber sollte man nicht auch einen guten Freund zu Hause besuchen? Natürlich kann man das Argumentationsspiel weiter treiben: „Wenn Gott überall zu Hause ist, brauche ich nicht in die Kirche zu gehen.“ Ja, das stimmt. Aber welcher Mensch erkennt Gott, wenn er nicht in die Kirche geht, auch wenn er mit dem Zaunpfahl winkt?

Ersatzreligionen machen uns wieder zu scheinbar spirituellen Wesen. Wir tauchen ein in die tiefe Welt des Tantra. Aber in Wirklichkeit ist es nur eine Religion zum Mitnehmen. Denn auch der Buddhismus in Asien oder der Hinduismus in Indien ist viel anstrengender als die europäische Light-Variante. Spiritualität liegt nicht auf der Straße. Es ist die tägliche, harte Praxis des Betens und Fastens. Der große Vorteil anderer Religionen ist, dass sie uns sagen, was wir tun müssen, um unser spirituelles Leben voranzubringen. Sie geben uns einen Fahrplan an die Hand. Das macht auch die orthodoxe Kirche, wenn man zum Beispiel die Himmelsleiter von Johannes Klimakus liest.

Aber es geht viel mehr um das eigene Wohlergehen. Der Mensch soll in die Kirche gehen, weil es ihm gut gehen soll. Durch die tägliche Übung und eine positive Sicht der Dinge wird das Leben besser und die Lebensqualität steigt. Studien zeigen, dass tägliches Beten oder Meditieren die Funktion des Gehirns verbessert. In der Kirche gibt es immer die Möglichkeit zu beten und seine spirituelle Seite auszuleben.

Alexander Radej