Verständnis von Fronleichnam?

An Fronleichnam war es wieder soweit: Gruppen von katholischen Christen trugen den Leib Christi in einer Prozession durch die Straßen. Viele Gläubige verstehen den Ritus nicht mehr als das was er ist: Die Präsenz Gottes.

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Fronleichnam hat eine lange Tradition. Das Fest stammt aus dem Jahr 1246 aus Lüttich. Papst Urban IV. führte das Fest 1264 für die ganze Kirche ein. In Köln wurde die erste deutsche Fronleichnamsprozession im Jahr 1279 gefeiert. Das Fest spiegelt die Frömmigkeit des Mittelalters wieder, denn die Hostie wurde seit dieser Zeit besonders akzentuiert. Während der Liturgie wurde die Hostie emporgehoben, damit sie gesehen werden konnte. Christus wurde nicht nur durch Kommunionspendung zu sich genommen, sondern auch gesehen.

Eine wichtige Komponente spielt bei Fronleichnam die Prozession mit der Monstranz. Es handelt sich bei der Hostie um Christus selbst, der jedem geoffenbart wird. Somit wird das Heilige in Zeit und Raum gesetzt und es entsteht ein anderer Bezug zu Christus: Er ist Wirklichkeit geworden.

Historisches

Prozessionen sind schon früh in den Religionen und dem Herrscherkult zu finden. Beispielsweise wurde zum mesopotamischen akitu-Fest ein feierlicher Festzug gestaltet. Auch Jesus von Nazareth befand sich in der Tradition: Der Einzug nach Jerusalem ist eine Überlieferung, die die besondere Prozession des Messias darstellt. In der frühchristlichen Kirche wurden ebenfalls viele Züge durchgeführt: Neben Reliquien und Ikonen wurden auch die Täuflinge zum Baptisterium, zum Firmort, bis zum Kirchenraum geführt, um diese offiziell als Mitglieder der Kirche erkenntlich zu machen. Es war letztendlich der Siegeszug über die Sünde.

Jedoch ist die Prozession auch in politischen Kontexten zu sehen. Kaiser zogen nach ihrer Krönung oder Ernennung durch die Stadt. Besonders in der spätrömischen Zeit wurden Kaiser als Götter verehrt und zogen mit riesigen Festzügen durch die Straßen, sobald Sie gesiegt oder nur eine Stadt besucht hatten.

Fronleichnam steht in der Tradition

Bei Fronleichnam ist das nicht anders: Christus der Sieger und Heiland wird in Form einer Hostie durch die Straßen getragen. Durch seine Gegenwart wird auch die Gegend gesegnet. Schließlich bewegt sich das Heilige durch die Straßen. Jedoch verstehen wenige, dass es sich hierbei um die Realpräsenz Gottes handelt. Bei den Prozessionen der Herrscher war der Kaiser noch real als Person zu sehen. Ebenso war bei Reliquien der Heilige, der verehrt wurde, in seinen Überresten präsent. Die Ikonen sind Abbilder, stellen aber die verehrte Person dar. Die Form des Brotes ist jedoch sehr abstrakt. Wie passt Gott in ein Stück Brot oder warum kommt er nicht in einer majestätischen Form?

Das Mittelalter stand ganz in der aristotelischen Tradition. Die Gelehrten verstanden das Substanz (der Kern) und Akzidenz (die äußere Form) zwei unterschiedliche Wirklichkeiten waren. Das Äußere ist unwesentlich, entscheidend war die Substanz des Gegenstandes. Somit spielte es keine Rolle, dass es sich um Brot handelte. Wichtig war, dass die Substanz Christus war. Anzuzweifeln ist jedoch, ob die normalen Gläubigen diese Wirklichkeit verstanden, genau wie heute, da sie auch im Mittelalter sehr abstrakt war. Auch wenn das Äußere (das Brot) nicht majestätisch, sondern fast alltäglich war, bedeutete das nicht, dass die Prozession und der rituelle Gegenstand weniger wert waren. Es blieb beim Verständnis des Majestätischen durch die Substanz.

Und heute?

Heute sind Prozessionen ein Überbleibsel der Gelehrten. Viele verstehen und verstanden die alten Traditionen nicht, im Mittelalter und heute. Das liegt an der abstrakten Form des Ritus: Das Brot symbolisiert einen allmächtigen Gott. Menschen bewegen sich durch die Straßen mit Fahnen, Ikonen und Blasmusik. Es entsteht das Gefühl, nur die Kleriker wissen, was sie in den Händen halten: die Realpräsenz des Erlösers. Denn die Hostie ist nur noch abstrakt zu verstehen und verliert somit ihren Wert.

Also muss die Kirche versuchen dieses Fest plausibel zu machen. Religionslehrer, Theologen und Kleriker müssen es erklären. Es gilt das Unfassbare fassbar zu machen und das nicht nur in der Form der Hostie, sondern auch in den Erklärungen der Riten. Denn Riten sind komplexe Systeme, die sich durch die Zeit hinweg ergeben haben. Ohne Erklärung dieser bleiben sie inhaltlos und leer. Am Ende werden sie nur durchgeführt, weil sie existieren und sind nicht mit einer Intension verbunden.

Alexander Radej