Ukrainischer Friedensmarsch – Gedenken an die Christianiserung

Etwas 20.000 ukrainische orthodoxe Christen bewegen sich von Westen und Osten nach Kiew in kilometerlangen Märschen. Ziel des Marsches ist das Gebet um Frieden am 27. Juli im Kiewer Höhenkloster, auf einem Hügel über dem Dnjepr. Das Kloster leigt beim Sitz des Metropoliten der größten orthodoxen Kirche der Ukraine, die zum Moskauer Patriarchat gehört. Der Metropolit Onufri hatte zu dieser Demonstration für den Frieden Anfang Juli aufgerufen.

Foto: explizit.net

Der Osten und der Westen treffen sich in Kiew

Als Bischof Onufri Anfang Juli zu dem Friedensmarsch aufgerufen hatte, brachen sowohl aus dem ostukrainischen Charkiw und dem westlich gelegenen Ternopil die Gläubigen auf den langen Weg nach Kiew auf. Mit Ikonen, Kreuzen und Priestern bewegen sich die Marschierenden Richtung der Hauptstadt und der kirchlichen Zentren. Mancherorts stellen sich den Pilgern ukrainischen Nationalisten in den Weg, in der Hoffnung den Marsch aufzuhalten. Dann ändern die Gläubigen ihre Route und ziehen auf anderen Wegen nach Kiew.
Zwei Züge begannen zu unterschiedlichen Zeiten. Zuerst begann der Marsch aus dem Swjatohirsk Kloster in Donezk, der zweite aus dem Himmelfahrtskloster in Ternopil, dem Osten der Ukraine. Die Anhänger des Marschs aus dem Osten haben 660 Kilometer hinter zu legen hingegen der Marsch aus Ternopil 430 Kilometer.

Tag der Taufe des ersten Fürsten der Kiewer Rus

Der 28. Juli ist ein wichtiger Tag für die russischen, wie auch ukrainischen Gläubigen, da dies der Nationalfeiertag ist, an dem die Kiewer Rus getauft wurden und somit Russland christlich wurde. Der Marsch hat das Kiewer Höhlenkloster zum Ziel.  Dabei handelt es sich um eines der ältesten orthodoxen Klöster in der Ukraine. Es ist UNESCO Kulturerbe und wird jedes Jahr von mehr als einer Million Pilgern besucht. Das Kloster gilt als einer der größten Kultstätten der Orthodoxie. Es ist zugleich Sitz des Metropoliten der größten orthodoxen Kirche der Ukraine. Daher treffen sich dort die beiden Märsche und beten für den Frieden. Zuvor jedoch werden sich beide Märsche, aus Ost und West, auf dem Wladimirhügel in Kiew zusammenschließen und dann gemeinsam zum Kiewer Höhlenkloster zu gelangen.

Abgesprochen mit dem Moskauer Patriarchen

Manche Kommentatoren sehen hinter dem Marsch eine kirchenpolitische Absicht, nämlich die größte ukrainische Kirche unabhängig zu machen. Die orthodoxe Kirche der Ukraine, der der Metropolit vorsteht, hat nämlich in Moskau ihren Patriarchen. Sie wird durch den Krieg im Donbass vor eine Zerreißprobe gestellt. Offensichtlich ist, dass der Metropolit Onufri zusammen mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. den Zug initiiert hat, um für den Frieden in der Ukraine den Segen Gottes zu erflehen.

Das Gespräch über das Autokephalie-Thema erhielt vor kurzem neuen Zündstoff, als das ukrainische Parlament einen Antrag an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. sendete, die Autokephalie der ukrainischen Kirche zu überprüfen. Bartholomaios I. übergab den Fall der Synodalkommission.

Gegen die These eines russisch kontrollierten Marsches spricht, dass die Kiewer Metropolie und ihre Moskauer Mutterkirche sich schon seit Jahren streiten. Kiew will seit Jahren unabhängig vom russischen Patriarchat werden, was man in Moskau ablehnt. In der derzeitigen Krise zwischen der Ukraine und Russland ist die Trennung noch weniger erwünscht als zuvor. Denn in Russland fürchtet man, den Einfluss auf die ukrainischen Gläubigen zu verlieren.

Nicht alle sind für den Friedensmarsch

Geteilter kann die Meinung zum Friedensmarsch nicht sein:
Vielen Ukrainern erscheint es so, als sei der Zug durch das Moskauer Patriarchat gesteuert. Da ein großer Teil der ukrainischen Bevölkerung sich mit Russland im Krieg sieht, lehnen sie daher auch den Zug ab. Die ukrainische Regierung scheint davon auszugehen, dass der Kreml und der russische Geheimdienst die Initiatoren der Friedensmärsche sind.

Auf der anderen Seite wird der Friedensmarsch in vielen Dörfern herzlich begrüßt. Sie folgen dem Aufruf des Metropoliten Onufri und des Patriarchen Kyrill I., den Zug zu unterstützen. Gläubige stehen am Wegesrand, während der Marsch an ihnen vorbeizieht. Teilweise knien Menschen, beten zu Gott und verehren den Zug. Sie reichen den Vorbeigehenden Wasser und Brot. Die Marschierenden übernachten oft in Kirchen oder in den Häusern der Anwohner. Einige Menschen schließen sich dem Marsch an, ganz besonders ältere Menschen, teilweise sogar Kinder.

Nicht übersehen werden darf, dass alle in der Ukraine eine Ende der Kämpfe wollen, auch die Menschen, die unter der Kontrolle der Separatisten leben. Es gibt sogar Stimmen, die bereit sind, die von Separatisten kontrollierten Gebiete aufzugebne, wenn damit die Kämpfe aufhören.

Alexander Radej