Religion als Privatsache

Die 4. Berliner Religionsgespräche behandelten den Terror, der durch die monotheistischen Religionen entsteht. Das wichtigste Beispiel war der islamistische Terror des IS. Nicht nur der Islam, sondern alle monotheistischen Religionen wurden als Gewaltquelle untersucht. Der Historiker der Humboldt-Universität in Berlin, Jörg Baberowski, meint, dass Religion Privatsache sei. Beim Kongress „Freude am Glauben“ ist die Angst vor dem ansteigenden Privatglauben und der Mangel an religiösem Wissen groß. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist für den Glaubenden nicht selten ein schweres Bekenntnis, da oft verachtende Fragen zu seinem spirituellen Leben folgen. Die Religion steht heute im Konflikt zwischen der Bekennungspfllicht und dem Rückzug ins Private.

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Gefahren durch monotheistische Religionen

Die monotheistischen Religionen, vor allem der Islam, stehen unter dem Verdacht, gewalttätig zu sein. Jedenfalls wenn man die Nachrichten in den Medien verfolgt. Die Anschläge in Paris und Brüssel zeigen das Ausmaß der Gewalt. Die Frage, die sich stellt lautet, ob Religionen gewalttätig sind. Religionen beeinhalten gewaltfördernde und gewaltpräventive Themen. In der Bibel oder dem Koran sind beide Seiten der Medaille zu finden. Rational betrachtet sind diese Bücher Gedankengut, das aus der Tradition entstanden ist. Per se ist Religion nicht gewalttätig, sondern wird vom Individuum und von der Gesellschaft interpretiert und gelebt. Der glaubende Mensch ist also dafür verantwortlich, auf welchen Teil seiner Heiligen Schrift er sich bezieht.

Neben der eigenen religiösen Meinung, welche angenommen und gelebt wird, gibt es religiöse Autoritäten, wie Bischöfe oder Imame, die die religiöse Praxis der Glaubenden beeinflussen. Diese bilden die Lehrmeinung der Bevölkerung. Die Interpretation des eigenen Glaubens wird zum Teil von den geistlichen Autoritäten vorgegeben. So bezieht sich der Islamische Staat vorwiegend auf gewaltverherrlichende Teile des Korans und reißt diese aus dem Kontext.

Säkularisierung von Staat und Religion

Die Säkularisierung trennte den Staat von der Religion. Die Frage, die sich seit dem stellt lautet, ob die vom Staat getrennte Religion nicht genauso gefährlich ist, wie eine mit dem Staat verbundene Religion? Bei den 4. Berliner Religionsgesprächen ist die Antwort „Ja, sie ist genauso wirksam.“. Religiöse Gruppierungen bilden ihre eigenen Dynamiken. Der Staat bestimmt zwar über ein Kopftuchverbot oder Kreuze in Schulen, kann aber nicht die Lehrmeinungen diktieren. Der Staat kann höchstens auffällige Gemeinden beobachten, ist aber bei der Aufklärung von den Gemeinden abhängig.

Der deutsche Staat bietet den Religionen großen Freiraum, es herrscht Religionsfreiheit. Sobald aber Gemeindemitglieder kriminell werden, interveniert der Staat. Wie aber mit stark radikalisierten Gruppierungen umgegangen wird, dafür ist noch keine geeignete Lösung gefunden worden. Diese Maßnahmen erreichen aber nicht jeden radikalen Gläubigen.

Ist Religion wirklich Privatsache?

Religion im Privatleben birgt die Gefahr, dass der Glauben von kirchlichen Lehrmeinungen abweicht und die Lehrmeinung durch den Menschen verändert wird. Dabei stellt sich die Frage, ob alle religiösen Gemeinschaften noch zeitgemäß sind. Durch unterschiedliche Gebote und Verbote, wie z.B. dem Verbot der Empfängnisverhütung in der katholischen Kirche oder dem Schweinefleischverbot im Islam, werden religiöse Gemeinschaften uninteressanter. Die Gebote werden nicht vollständig eingehalten. Somit tendieren Glaubende eher zu einem Privatglauben. Das kann aus mangelndem Glaubenswissen entstehen oder einfach schlicht durch die Verlockungen der modernen Zeit. Aus öffentlichen Räumen, wie zum Beispiel der Schule, verschwinden Kreuze. Gesellschaftlich entsteht eine Ablehnung von Religion und Religionszugehörigkeit.

Diese Entwicklung fördert die Radikalisierung von Glaubenden durch eine wachsende Ablehnung der Religion. Jede Religion verstrickt sich in Verschwörungstheorien, dass die eigene Religion, weil sie die Richtige ist, vom Bösen bekämpft wird. Letzten Endes sind in diesen Theorien die Atheisten oder die Andersglaubenden nur Schachfiguren des Bösen.

Religion ist zum Großteil zur Privatsache geworden. Glaubende müssen ungläubige Blick auf das Bekenntnis „Ja, ich bin Christ“ ertragen. Kreuze werden versteckt und nur noch in den eigenen vier Wänden gezeigt. Man will schließlich nicht ins Aus geraten, wenn man Christ ist. Unangenehme Fragen bleiben nicht aus. Die Kritik an der kirchlichen Lehrmeinung seitens des Laienstandes nimmt zu. Der Christ wird als Mensch, der an einen „imaginären Freund“ glaubt gesehen. All das führt dazu, dass der Glaubende sich mehr und mehr in der Gesellschaft ausgegrenzt fühlt und sein Christsein versteckt. Trotzdem darf nicht unterschätzt werden, dass die Radikalisierung von Glaubenden im Privaten und selten im öffentlichen Raum stattfindet.

Alexander Radej