Orthodoxe Kirche in der Ukrainekrise

Seit dem 18. April beherrscht das Thema „Ukraine“ die orthodoxen Medien. Vertreter des ukrainischen Parlamentes wandten sich mit einem Brief an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios. Der Grund: Bitte der Anerkennung der Unabhängigkeit der Ukrainischen Kirche. Der Patriarch spielt tatsächlich mit dem Gedanken die Autokephalie in die Diskussion zu bringen. Das russische Patriarchat kritisiert das in Person von Metropoliten Hilarion. Seine Meinung: Vorsicht vor einer Spaltung!

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Im Jahr 1990 forderten die ersten ukrainischen Bischöfe ein unabhängiges Bistum, getrennt von der Russisch-Orthodoxen Kirche. Im April 1992 wurde dies schließlich umgesetzt: Metropolit Philaret gab seinen Austritt aus der russischen Kirche bekannt. Am 25./26. Juni 1992 entschieden Kleriker und Gemeinden gemeinsam mit dem neuen Metropoliten Philaret die neue Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats zu gründen, während Moskau einen neuen Metropoliten für die Ukrainische Kirche des Moskauer Patriarchats wählte. Im Jahr 1997 wurde das Schisma komplett, als die Russisch-Orthodoxe Kirche mit dem Kirchenbann belegt wurde.

Der nun über 20 Jahre andauernde Streit erreichte in den letzten Tagen einen weiteren Höhepunkt. Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus lässt das Thema der Autokephalie der ukrainischen Kirche erneut aufkommen und erntet dabei Kritik. Die bereits angespannte Lage zwischen dem Moskauer und Ökumenischen Patriarchat wird dadurch noch verschärft. Auf dem Konzil von Kreta wurde die Diskrepanz zwischen den Kirchen bereits deutlich, als Russland die Anreise zum Panorthodoxen Konzil verweigerte.

Positionierung in der Orthodoxen Kirche

Die problematische Lage der Orthodoxen Kirche hat teilweise ihren Ursprung in der kritischen Situation des Ökumenischen Patriarchats in der Türkei. Präsident Erdogan, der eine Allianz mit Putin geschlossen hat, unterdrückt die Kirche nach dem gescheiterten Militärputsch. Patriarch Bartholomaios wurde der Mittäterschaft beschuldigt, befand sich jedoch auf einer Reise in Tschechien. Obwohl der Patriarch wieder nach Istanbul zurückgekehrt ist, hat sich die Lage nicht verbessert. Das Oberhaupt der griechischen Kirche sah sich in der Notwendigkeit, Erdogans Offensive in Syrien wohlwollend zu beurteilen – was er in einem öffentlichen Brief auch tat.

Im Gegensatz dazu erblühte das russische Patriarchat nach dem Ende des Kommunismus. Die von Putin gestützte Kirche wird zunehmend zum Repräsentanten der Orthodoxie. Das medial aufgebauschte Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill zeugt davon. Es wurde als Jahrhunderttreffen zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche betrachtet. Dies wird durch die höhere Anzahl der Gläubigen und die russische Kirche, die sich als das dritte Rom bezeichnet, begünstigt. Ganz offensichtlich hat das Moskauer Patriarchat eine bessere Stellung als das geplagte Ökumenische Patriarchat.

Aufgrund der kirchenpolitischen Ausgangslage ist es nur logisch, dass das Ökumenische Patriarchat Unterstützung in den bischöflichen Versammlungen benötigt. Daher erscheint eine Ukrainische Autokephale Kirche, deren Unabhängigkeit vom Ökumenischen Patriarchat unterstützt würde, als attraktiv. Im Sinne von: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Politik und Kirche

Von politischer Seite aus gesehen, könnte die Anerkennung der ukrainischen Kirche ein Fiasko sein. Beide Nationen sind sehr eng mit ihrer Religion verknüpft. Der Großteil der Ukrainer gehört der Ukrainischen Kirche des Moskauer Patriarchats an, die jedoch kritisiert wird, weil sie sich mit Russland verbündet. Laut ukrainisch-nationalistischen Gruppierungen versucht sie, die Ukrainer von Russland zu überzeugen. Deshalb gehen nationalistische Gruppen gegen das Moskauer Patriarchat vor. Mehrere russische Kirchen wurden angegriffen, um sich an der Annexion der Krim zu rächen und angeblich das ukrainische Volk zu „beschützen“. Sogar das Höhlenkloster in Kiew hat unter Angriffen von nationalistischen Gruppierungen gelitten, die am 09. Januar eingebrochen sind und Tafeln am Grab von Anna Romanova mit roter Farbe bespritzt haben. Auf der Krim jedoch hat sich Russland nicht anders verhalten. Ukrainische Kirchen wurden geschlossen, weil ihnen vorgeworfen wurde ukrainische Propaganda zu betreiben.

Patriarch Bartholomaios strebt mit der Anerkennung eine Förderung des Friedens in der Ukraine an. Falls die Ukrainische Kirche autokephal anerkannt wird, würden die Gemeinden des Moskauer Patriarchats zur Ukrainischen Kirche gehören, da zwei autokephale Kirchen in einem Land nicht bestehen können. Dies würde zu einem massiven Verlust an Einfluss Russlands in der Ukraine führen. Weiterhin bliebe die Frage nach der Krim ungeklärt und könnte zu weiteren Konflikten führen. Wenn die Kirchen auf der Krim nicht der Jurisdiktion der Ukrainischen Kirche unterstehen würden, würde die Orthodoxe Kirche die Krim als russisches Territorium anerkennen.Dies hätte unabsehbare politische Folgen und würde weitere politische Unruhen mit sich bringen.

Kirchenrechtlich schwierig

So eminent und taktisch mag die Anerkennung der ukrainischen Kirche auch sein, doch aus kirchenrechtlicher Sicht gestaltet sich dieser Prozess äußerst schwierig. Das Ökumenische Patriarchat kann nur gemeinsam mit den anderen orthodoxen Kirchen die Autokephalie genehmigen. Dass die russische Kirche diesbezüglich opponieren wird und allein schon die Disputation dieser Angelegenheit kritisiert, ist nur nahe liegend. Somit ergibt sich die Frage, wie Patriarch Bartholomaios den Anerkennungsprozess weiter verfolgen möchte.Es bleibt unklar, welche Patriarchate Bartholomaios‘ Vorstellung akzeptieren würden.

Vielleicht profitiert das Bulgarische Patriarchat auch von der aktuellen Situation, da es sich intensiv um die Anerkennung der Mazedonischen Kirche bemüht. In diesem Zuge hat es den Unmut der Griechischen und Serbischen Orthodoxen Kirche auf sich gezogen. Insbesondere die Serbische Orthodoxe Kirche, welche ein kirchenpolitischer Verbündeter des Moskauer Patriarchats darstellt, könnte gegen das Bulgarische und Ökumenische Patriarchat vorgehen und sich somit auf die Seite Russlands stellen.

Aufgrund der Spaltung in zwei Lager besteht das Risiko einer Trennung der Orthodoxen Kirche. Die Positionierung der anderen Patriarchate bleibt abzuwarten. Trotz allem ist es sehr unwahrscheinlich, dass Patriarch Bartholomaios eine Kirchenspaltung provozieren wird. Demnach wird es wahrscheinlicher, dass die Anerkennung der ukrainischen Kirche in weiter Ferne liegt.

Alexander Radej