Ein tiefer Graben

Papst Franziskus besuchte vom 30.09 bis 02.10.2016 Georgien und Aserbaidschan. Jedoch wurde seine Reise nicht von allen Georgiern mit freudiger Stimmung aufgenommen. Konservative Kleriker und Verbände wetterten im Vorfeld gegen den Besuch des Papstes. Am Ende steht die Absage des gemeinsamen Gebetes zwischen Papst Franziskus und Patriarch Ilja II.

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Sobald der Besuch des Papstes in einem Land ankündigt wird, freuen sich die katholischen Gläubigen des Landes. In Georgien war das anders. Als Papst Franziskus seinen Besuch ankündigte, rumorte es schon bei der Union für orthodoxe Eltern in Georgien. Laut den geistlichen orthodoxen Führern ist der Besuch des Papstes ein großer Fehler.

Die Ablehnung war so groß, dass Massen auf die Straße gingen, um gegen den Papst zu demonstrieren. Transparente mit „Erzketzer“ oder Aussprüchen wie „Der Papst will Georgien mit seinem Besuch zu einer katholischen Kolonie machen.“, sprachen für sich. Was war das Problem des Besuches?

Tiflis lud den Papst ein

Der Besuch des Papstes ist seitens des Katholikos-Patriarchen Ilja II., dem obersten Bischof für ganz Georgien, forciert worden. Umso unverständlicher sind die Proteste seitens der orthodoxen Geistlichen. Georgien ist aber seit jeher nicht dafür berühmt, sich für die Ökumene mit den Katholiken einzusetzen. Kurz vor dem Panorthodoxen Konzil auf Kreta sagte die Georgische Kirche Bartholomaios I., dem Patriarchen von Konstantinopel, für das Konzil ab. Für sie war ein Passus entscheidend, der den Namen „Katholische Kirche“ akzeptierte. Die Delegationen, die im Vorfeld die Konzilsdokumente entworfen haben, hatten im Konzilsdekret geschrieben, dass die Orthodoxen, den historischen Namen der Katholischen Kirche akzeptiere. Das macht die Katholiken, aus orthodoxer Sicht, nicht zur Kirche im theologischen Sinne, trotzdem darf sie als solche genannt werden. Das wollte die georgisch orthodoxe Kirche nicht.

Die konservative Haltung der Georgischen Kirche spiegelte sich auch beim Papstbesuch wieder. Entscheidend war für die Demonstranten, das gemeinsame Gebet zwischen Ilja II. und Papst Franziskus zu verhindern. Das schafften sie auch. Ilja II. erteilte dem Papst eine freundliche Absage. Höchstwahrscheinlich wollte der Patriarch die orthodoxe Bevölkerung beruhigen und seine Position als Patriarch in Frage stellen lassen. Ilja II. ist im Vorfeld bei der russischen Kirche in Ungnade gefallen. Er hatte sich für eine Monarchie unter der Führung der Bagraditen-Dynastie, die von Zar Nikolaus abgesetzten wurden, eingesetzt.

Ebenso wäre die Außendarstellung des Patriarchates gefährdet und die Teilkirche könnte als zu „ökumenefreudig“, gar unionswillig, auffallen. Das Patriarchat hingegen gab offiziell bekannt, dass sie die dogmatischen Unterschiede als einen Grund dafür ansah, das gemeinsame Gebet abzusagen.

Der einsame Papst

Trotz alledem flog der Papst nach Georgien. Er traf Ilja II. und wechselte ein paar freundliche Worte mit ihm. Am 01.10. feierte der Papst eine Messe im Micheil-Meschi-Stadion, das knapp 27.000 Plätze hat. Gekommen waren 3.000 von 110.000 Gläubigen. Nicht nur die geringe Anzahl der Gläubigen ist verwunderlich, sondern auch die fehlende Teilnahme einer orthodoxen Delegation während des Gottesdienstes. An diesem Morgen wurden keine Vertreter der Georgisch Orthodoxen Kirche im Stadion gesichtet.

Der tiefe Graben wird nicht schmaler

Seit Jahren diskutieren Orthodoxe und Katholiken miteinander. Das Schisma von 1054 wurde noch lange nicht überwunden, auch wenn Annäherungen zu beobachten sind. Immer wieder aufs Neue wird Öl in das Feuer des Schismas gegossen. Aufgrund der früh entstandenen Trennung zwischen Ost- und Westkirche, entstanden theologische Unterschiede. Diese Unterschiede müssten aufgearbeitet werden, damit die Kirchen sich annähern können.

Selbst wenn die Orthodoxen Geistlichen dazu bereit wären, zusammen mit der Katholischen Kirche, einen Schritt aufeinander zuzugehen, wären die Laien bei Weitem nicht bereit für diesen Schritt. Denn die Laien besitzen, genau wie einige Geistliche, eine zu starke Identifizierung zwischen nationaler Zugehörigkeit und Religion. Der Erzfeind der östlichen Nationen ist nach wie vor der Westen und der religiöse Feind die Katholische Kirche.

Alexander Radej