Der Turbo-Westen und die Orthodoxe Kirche

Wenn Patriarch Neofit und Papst Franziskus aufeinandertreffen, werden hohe Erwartungen geweckt. Westeuropäische Gläubige hoffen auf Fortschritte in der Ökumene seitens des westlichen Katholizismus, während in der Orthodoxie lediglich ein höfliches Treffen erwartet wird. Obwohl das Treffen im Westen enttäuschend endet, überrascht es die Orthodoxie nicht.

Papst Franziskus besucht Bulgarien und trifft dort auf den bulgarischen Patriarchen Neofit. Beim Treffen sendet der Papst positive Signale bezüglich der Ökumene und deutet sogar eine gemeinsame Gemeinschaft an. Patriarch Neofit weist jedoch diese mit einer Respektsfloskel ab. Die Reserviertheit des bulgarischen Bischofs ist keine Neuigkeit und zeigt das orthodoxe Verständnis von Ökumene.

Im Vorfeld Klarheit schaffen

Der Besuch des Papstes in Bulgarien hat zu kontroversen Diskussionen geführt. Es wurde kontrovers diskutiert, ob Patriarch Neofit den Papst empfangen sollte und ob sie gemeinsam in einer Kirche beten dürften. Diese Fragen wurden im Vorfeld in Bulgarien geklärt. Obwohl das bulgarische Patriarchat zunächst positive Signale bezüglich eines gemeinsamen Gebets in Sofia sandte, ruderte es sofort wieder zurück. Da in der Bevölkerung Widerstand gegen das gemeinsame Gebet aufkam, wurde auch in Rom eine gemeinsame Vesper ausgeschlossen.

Ökumene kein Ökumenismus

Während des Treffens zwischen dem Papst und dem Patriarchen Neofit wurden durch dessen sehr versöhnliche Worte in Bulgarien schnell Stimmen gegen eine Ökumene laut. Die orthodoxe Kirche könne nicht einfach mit nicht-orthodoxen Gläubigen beten. Der bulgarische Patriarch betonte vielmehr, dass es die Aufgabe der Orthodoxen Kirche sei, „die Kirche zu bewahren, die makellos, ohne Flecken oder Falten ist“.

Die Ausführungen des Patriarchen sind sachlich formuliert. Wer auf ein gemeinsames Gebet gehofft hatte, wird durch die Äußerungen des Patriarchen über eine klar getrennte Ökumene enttäuscht. Obwohl es sich bei den beteiligten Kirchen um christliche Gemeinschaften handelt, unterscheiden sich ihre Traditionen. Zudem bestehen für orthodoxe Bischöfe theologische Differenzen, die überwunden werden müssen. Wie Patriarch Neofit beim Treffen mit Papst Franziskus betonte, ist dies nur durch Kompromisse möglich.

Der Turbo-Westen

Die Äußerungen von Papst Franziskus passen zu einer westlich orientierten Ausrichtung, die eilig eine gemeinsame Kirche bilden möchte. Die theologischen Unterschiede werden dabei als unproblematisch betrachtet und lediglich als Spielwiese für Theologen angesehen. Obwohl diese Argumentation möglicherweise andere Religionen angreift und defensive Reaktionen auslösen kann, scheint dies im Westen keine große Rolle zu spielen. Schnell wachsende Ökumene ist ein häufig beobachtetes Phänomen, das durch die Exotisierung anderer Religionen oder den Wunsch nach Einheit vorangetrieben wird. In diesem Bestreben, eine gemeinsame Kirche zu schaffen, werden theologische Probleme oft vernachlässigt.

Das Aufeinandertreffen in Bulgarien zeigt klar, dass eine Gemeinschaft nur dann möglich ist, wenn man in der Lage ist, die Grenzen anderer Religionen zu akzeptieren. Sonst entsteht eine religiöse Einheitsmasse, die mit der ursprünglichen Religion nichts mehr zu tun hat. Es gilt: Einheit nur in ihrer ursprünglichen und ungeteilten Form.

Alexander Radej