„Der Glaube gehört zum Menschen, aber der Mensch nicht in die Kirche.“

Der Fall des Münsteraner Priesters Thorsten Frings zeigt, das Ausbleiben der Gläubigen innerhalb der Kirche hat weitreichende Folgen. Seinen Rücktritt erklärt der Pfarrer mit den fehlenden Gläubigen. Für ihn sind viele Gläubige nicht ehrlich mit ihrer Glaubenspraxis. Sie sehen Taufe, Kommunion und Hochzeit als Event. Pfarrer Eberhard Klein-Doppelfeld aus Soest sagt hingegen, dass ein Rücktritt für ihn undenkbar wäre. Darf ein Priester zurücktreten, wenn dieser von austretenden Kirchenmitglieder im Stich gelassen wird? Was treibt Menschen aus der Kirche?

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Der Fall des Pfarrers Thomas Frings

Pfarrer Thomas Frings hat ein Problem. Es erscheinen verhältnismäßig viele Kinder im Kommunions- und Firmunterricht, deren Eltern keinen Bezug mehr zur Kirche haben. Laut Frings ist das damit verbundene Problem, Eltern könnten ihre Kinder auf die Sakramente nicht vorbereiten, ein dramatisches. Laut Frings könnten Eltern, die keinen Bezug zur Kirche und zum Glauben haben, keine geeigneten Vorbilder für eine Vorbereitung auf die Firmung oder Kommunion sein. Bei der Taufe gelte dasselbe Problem. Eltern treten aus der Kirche aus und lassen ihr Kind dennoch taufen. Das lässt den Schluss zu, dass die Eltern die Taufe als Familienevent betrachten und nicht mehr als notwendiger Ritus in eine christliche Gemeinschaft.

Soester Pfarrer würde nicht zurücktreten

Anders hingegen ist der Fall des Pfarrers Eberhard Klein-Doppelfeld aus Soest. Er erlebt den Rückgang der Gläubigen und die Sakramente als Familienevent ebenfalls. Er sieht aber darin keinen Grund zurückzutreten. Das seien normale Höhen und Tiefen, die viele Priester durchleben. Für ihn sollte ein Pfarrer trotz Rückgang der Gottesdienstbesucher solidarisch mit der Kirche bleiben und seinen Dienst fortsetzen. Wenn nötig sollten Strategien in der Pfarrei neu durchdacht werden, um Gläubige zu werben. Die Probleme der Kirche liegen laut Pfarrer Eberhard Klein-Doppelfeld auf der Amtsebene. Diese befindet sich für ihn im Stillstand, etwa in Aspekten wie Kirchenämter für Frauen oder der nicht zeitgemäßen Sexualmoral.

Was wird aus der Kirche?

Die Kirche avanciert immer mehr zum Dienstleister. Denn Taufen, Hochzeiten oder Kommunion sind meist ein Familienfest. Der Umgang mit diesen Themen unter den Jugendlichen zeigt das deutlich. Jugendliche unterhalten sich über den erhaltenen Geldbetrag zur Konfirmation oder Kommunion, aber kaum über spirituelle Erfahrungen während der Vorbereitungszeit. Die Shell-Studie 2015 zeigt, dass Jugendliche, die katholisch oder evangelisch getauft sind, dem Glauben weniger Bedeutung beimessen, als Muslime oder Orthodoxe Christen, die weitaus gläubiger sind. Meist ist die Verflechtung zwischen kultureller Identifikation und Spiritualität bei Orthodoxen Christen und Muslimen stärker als in der westlichen Welt.

Tief verwurzelte Traditionen wollen von Eltern christlicher Familien eingehalten werden, teilweise auf Druck der Großeltern. Da alte Familientraditionen weitergelebt werden und Kinder die gleichen Sakramente empfangen sollen wie die Eltern, werden die Kinder getauft, auch wenn die Eltern aus der Kirche ausgetreten sind. Allerdings wird der Täufling nicht in die sozialen Verflechtungen der Gemeinde integriert, da die Eltern nicht mehr Teil der Gemeinde sein wollen. Die Äußerlichkeiten der Sakramente sind somit entscheidender als das theologische Verständnis der Sakramente und die Glaubenspraxis.

Mögliche Gründe für den Austritt

Die kirchliche Tradition der Sakramente ist ein Teil der europäischen Kultur. Die Spiritualität und die damit verbundene Notwendigkeit der Kirche scheinen hinter die Festivitäten der Familien zurückzutreten. Sobald die spirituelle Ebene der Religion abhandenkommt, bleibt der Glaube eine ethische und moralische Weltanschauung, welche dem kulturellen Zweck dient. Dieses Weltbild kann aber mit heutigen naturwissenschaftlichen Erklärung und gesellschaftlichen Moralvorstellungen kaum mithalten, da die kirchlichen Meinungen nicht populär sind und von der Gesellschaft kaum akzeptiert werden. Das sieht auch Pfarrer Eberhard Klein-Doppelfeld so, da die Kirche sich in diesen Punkten im Stillstand befinde.

Pfarrer und Bischöfe stehen vor einer Herkules-Aufgabe, da die Kirchenmitgliederzahlen von Jahr zu Jahr sinken und die Kirchen zunehmend leerer bleiben. Das geschieht aus den unterschiedlichsten Gründen wie zum Beispiel Einsparungen der Kirchensteuer, Änderung der Weltanschauung oder Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft, wie zum Beispiel asiatischen Religionen. Christen wollen nicht abhängig von einer Religionsgemeinschaft ihren Glauben ausleben, sondern ihre individuelle Freiheit nutzen und sich ihren eigenen persönlichen Glauben zurechtlegen. Das zeigen nicht zuletzt die immer wiederkehrende Parole: „Der Glaube ist Privatsache.“

Die Frage ist, was passiert wenn auch der harte Kern der Kirchengemeinde verschwindet und der Pfarrer auf sich selbst angewiesen ist? Ein Pfarrer verliert seinen Mut aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen. Das ist keine Seltenheit. Es ist verständlich, wenn keine seiner Methoden die Menschen in der Kirche halten kann. Der reale Glaubensvollzug, der sich in der Kirche mit der realen Präsens Gottes in der Eucharistie manifestiert, verliert zunehmenden an Bedeutung. Viele Fragen der Gläubigen in Bezug auf die religiöse Praxis bleiben unbeantwortet und eine medial dargestellte Doppelmoral der Kirche lässt die Menschen aus der Kirche austreten. Wenn Priester die Fragen der Gläubigen nicht beantworten und Menschen auf ihrem Glaubensweg unterstützen können, werden auch die Predigten des Pfarrers nicht mehr über die Mauern des Kirchengebäudes hinausdringen.

Alexander Radej