Apophantische Theologie als Gotteserkenntnis

Die Widerlegung Gottes beinhaltet immer eine logische Argumentation. Diese beinhaltet immer Beobachtungen und Überlegungen des Menschen, welche ihn dazu bringen um die Theodizee auszuformulieren. Ist das aber wirklich logisch?

Gott ist nicht logisch. Das ist eines der Hauptargumente gegen die Theodizee-Frage. Damit entgehen Theologen und Gläubige oft einer hitzigen Diskussion. Hinter dieser Aussage steckt aber mehr, als ein bloßes Ausweichen. Denn der Selbstentzug Gottes ist nicht in den Gedanken des Menschen fassbar. Daher wird in der Gotteserkenntnis die apophantische Theologie angewandt, die besser als negative Theologie bekannt ist. Einer der Hauptvertreter dieser Theologie ist Dionysios Areopagita. Er sagt über Gott:

„Auch ist sie nicht Sein, nicht Ewigkeit, nicht Zeit. Sie kann aber auch nicht gedanklich erfaßt, noch gewußt werden. Auch ist sie weder mit Wahrheit, noch mit Herrschaft oder Weisheit gleichzusetzen. Sie ist weder eines noch Einheit, weder Gottheit noch Güte. Sie ist auch nicht Geist in dem Sinne, wie wir diesen Ausdruck verstehen, noch mit Sohnschaft oder Vaterschaft gleichzusetzen oder mit irgend etwas anderem, von dem wir oder irgendein anderes Wesen Kenntnis besäßen. Sie gehört weder dem Bereich des Nichtseienden, noch dem des Seienden an. Auch erkennen sie die Dinge in ihrem tatsächlichem (begrenzten bzw. zusammengesetzten) Sein. Sie entzieht sich jeder (Wesens-) Bestimmung, Benennung und Erkenntnis. Sie ist weder mit Finsternis noch mit Licht gleichzusetzen, weder mit Irrtum noch mit Wahrheit.“ – Dionysios Areopagita, Über die mystische Theologie

Die grundlegende Aussage von Dionysios Areopagita besagt, dass Gott unlogisch ist. Durch den Selbstentzug Gottes wird es dem Menschen verwehrt, über ihn zu sprechen. Jegliche Aussagen, die wir über Gott treffen, sind schlichtweg falsch. Wir können eher sagen, was Gott nicht ist. Das führt zu einem Problem: Der Mensch bleibt im Ungewissen. Dionysios Areopagita hat zuvor verneint, dass der Mensch

viel über Gott sprechen kann. Er sagt jedoch, dass Aussagen über Gott möglich sind und dass Gott sich dem Menschen in gewisser Weise offenbart. Gott ist inkarniert und handelt. All diese Aussagen beschreiben Gott. Sie mögen zwar falsch sein, aber sie sind zugleich richtig, weil der Mensch dieses Handeln erlebt. Somit ist auch das Leid nichts anderes als eine Erfahrung des Menschen. Für ihn ist dieses Handeln wahr und schlecht. Gottes Absicht kann jedoch nicht erfahren werden. Durch den Selbstentzug ist es gar nicht möglich, dies zu wissen.

Ebenso zieht Dyonisos Areopagita den richtigen Schluss:

„Auch hast du (jetzt), gleich mir begriffen, aus welchem Grunde dies Letztere weit mehr Worte brauchte als das Voraufgehende. Fiel doch die Symbolische Theologie weitaus wortreicher aus als die Theologischen Entwürfe und die Betrachtung der «Göttlichen Namen» zusammengenommen. Denn je mehr wir zum Höheren hinstreben, um so mehr erstreben uns die Worte unter der zusammenfassenden Schau des nur geistig Erfaßbaren. So werden wir auch jetzt, da wir in das Dunkel eintauchen, welches höher ist als unsere Vernunft, nicht (nur) in Wortkargheit, sondern in völlige Wortlosigkeit und ein Nichtwissen fallen. […] Jetzt aber steigt sie von unten her zum Transzendenten empor, und je weiter sie nach oben gelangt, um so mehr verringert sich ihr Umfang; ist das Ende jenes Aufstiegs erreicht, wird unsere Rede vollends verstummen und mit dem ganz einswerden, der unaussprechlich ist.“

– Dionysios Areopagita, Über die mystische Theologie

Je mehr über die Theodizee nachgedacht und diskutiert wird, desto weniger erfahren wir über Gottes Wirklichkeit. Denn wenn versucht wird, Gott zu nähern, wird es immer unklarer. Dies kann mit einem Vergleich zur Ikone des Taborlichtes verdeutlicht werden: Nähert man sich dem Mysterium Gott, wird es immer unkenntlicher. Die Mandorla, die Christus umgibt, ist am äußeren Rand weiß und somit voller Erkenntnis. Im Inneren zeigt sich jedoch die Dunkelheit. Christus steht aus gutem Grund im weißen Gewand in der Mitte der Mandorla. Je näher man dem Mysterium Gottes kommt, desto unergründlicher wird es.

Deshalb betont Dionysios, dass die Praxis vor der Theorie stehen muss. Denn im letzten Schritt ist das Reden über Gott nicht erkenntnisreich. Vielmehr muss die Praxis im Vordergrund stehen, um auch die Absichten Gottes ein Stück weit zu erfahren. Selbst dann wird dies nicht vollständig offenbart werden.
Der Mensch wird zur höchsten Disziplin aufgefordert: Trotz aller Zweifel, in Krankheit, Tod oder Verlust, soll er glauben und beten. Erst dann kann der Mensch auch die Theodizeefrage beantworten.

Alexander Radej