Orthodoxe Priester – ein Ratschlag für den Papst
Seit dem 12.05.2019 streiken einige katholische Frauen. Bei der Aktion „Maria 2.0“ geht es ihnen um das Frauenpriestertum, verheiratete Priester und einen besseren Umgang mit den Missbrauchsvorfällen. Die Orthodoxe Kirche hat zwar auch eine Art des Klerikalismus, jedoch nicht allzu verwurzelt wie die Katholische Kirche.
Was können Katholiken lernen?
Die Orthodoxie ist streng hierarchisch strukturiert, doch hat der Priester innerhalb der Gemeinde, insbesondere bei der Wandlung der Eucharistie, nicht die alleinige Macht. Wie Dr. Frank Ewerszumrode OP bei seiner öffentlichen Vorlesung zu „Der Bischof als Vor-Steher der königlichen Priester. Ein orthodoxer Beitrag zum Verhältnis von gemeinsamem und dienstlichem Priestertum“ erwähnte, wandle der Priester nicht alleine am Tisch des Herrn. Jedes einzelne Gemeindemitglied hat eine Aufgabe innerhalb der Kirche, in welcher er die Wandlung erbittet: Sei es der priesterliche Dienst, der Kirchenchor oder Altardiener. Somit hat der orthodoxe Priester nicht die alleinige Macht inne, da es sich hier um ein gemeinsames Priestertum handelt: Er ist nicht der der wandelt und auch nicht derjenige der alleine die Wandlung erbitten kann.
Das gemeinsame Priestertum beginnt bereits bei der Weihe. Der Priester wird nicht einfach nur geweiht, sondern es wird die Bestätigung des gesamten Kirchenvolkes eingeholt. Sollte jemand gegen die Weihe schwerwiegende Gründe haben, müssen diese angehört werden.
Das steht im Spannungsfeld mit dem katholischen Klerikalismus: Der Priester ist in der katholischen Kirche rechtlich gesehen enorm privilegiert. Die katholischen Kleriker waren früher sakrosankt, also unantastbar. Zugleich war der Klerikalismus eine Art der kirchlichen Herrschaftsform. In der heutigen Zeit, in der der Klerikalismus obsolet geworden ist, findet eine Klerikale Abschottung statt, um den Einfluss innerhalb der Kirche nicht zu verlieren.
Die katholische Kirche besitzt jedoch auch eine Form des gemeinsamen Priestertums, welches im Dokument „Lumen Gentium“ des 2. Vatikanischen Konzils der katholischen Kirche steht: „Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt… das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.“
Der Amtspriester ist somit alleine privilegiert die Eucharistie zu wandeln. Er vollzieht das eucharistische Opfer. Jedoch haben die Gläubigen separat ein königliches Priestertum inne. In der Orthodoxie ist das anders: Die Gemeinde vollzieht das Ritual gemeinsam.
Nur in der Theorie
In der Orthodoxen Kirche funktioniert der Klerikalismus meist umgekehrt: Der Priester wird durch die Gläubigen glorifiziert. Die Sakralisierung des Priesters, als besonders weisen Menschen, führt zu einer Vormachtstellung des Priesters. In einigen Ländern innerhalb der Orthodoxie hat der Priester große Autorität.
Dabei vermischt sich die Funktion des Beichtvaters mit dem sakralisierten Priester: Während die Rolle des Priesters in der Orthodoxie größtenteils in der Liturgie eingenommen wird, wird im Alltag von einem Beichtvater gesprochen, dessen Menschlichkeit nicht aus dem Blick gelassen werden darf.
Besonders in der Beichtpraxis herrscht ein wesentlicher Unterschied zwischen Katholischer und Orthodoxer Kirche: Der Priester kann die Sünden in der Orthodoxen Kirche nicht vergeben. Er kann sich als Beichtvater die Probleme anhören und beraten, die Sünden lossprechen kann dieser jedoch nicht. Der Priester betet gemeinsam mit dem Gläubigen um die Vergebung der Sünden. Das geschieht auch in der Katholischen Kirche jedoch mit dem Zusatz: „[…] So spreche ich dich los von deinen Sünden[…]“
Selbstverständlich ist der Priester neben dem Beichtvater, welcher sich ständig in Gebet und Demut Gott annähert, auch ritueller Experte. Jedoch geschieht die Wandlung nur im gemeinsamen Akt zwischen Gläubigen und Priester. Somit ist der Kleriker auf das Volk angewiesen und kann sich nicht abschotten.
Priester – Kein Theologe
Anders als in der Katholischen Kirche, wo jeder Kleriker auch gleich Theologe ist, muss der Priester in der Orthodoxie kein Theologiestudium absolviert haben. Lediglich das Priesterseminar muss absolviert werden und selbst das ist nicht immer notwendig. Bei einigen Bischöfe gilt der Grundsatz: Wer Theologe ist, kann kein Priester werden.
Das führt zu einer weiteren Machtspaltung: Der Theologe, welcher für die Erarbeitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Christentum und die Orthodoxie ist, steht dem orthodoxen Priester und Bischof gegenüber, welche die Deutungshoheit innerhalb der Kirche hat. Jedoch gibt es bei diesem Punkt einen starken Machtkampf, da die theologischen Meinungen nicht immer übereinstimmen, was die Macht der Kleriker mindert.
Kurz zusammengefasst: Aufgrund der Deutung des Amtspriestertums, der dogmatischen Ausdeutung und der Ausbildung der katholischen Priester, ist dieser prädestiniert dem Klerikalismus zu verfallen. Die Einflechtung des Priesters innerhalb der Orthodoxen Kirche und die Auflösung seiner alleinigen Macht innerhalb des Kirchenvolkes, führt zu einem gemäßigten Klerikalismus, jedoch wird der Priester durch das Kirchenvolk glorifiziert. Deswegen ist die Orthodoxe vor einem Klerikalismus nicht gefeit.