Anstand und Religion
Wer kennt das Problem nicht: Kulturreisende betreten im Urlaub eine Kirche. Nicht anständig, sondern in Shorts, Minirock oder Tanktop. Dabei soll eine Kirche anständig betreten werden. Nicht um Gottes Willen, sondern aufgrund des Respekts gegenüber der Kultur, Tradition und Religion. Ebenso sollen die eigenen Prinzipien nicht überschritten werden, da das immer gleichzeitig eine Überschreitung der Regeln der anderen Gemeinschaft ist.
Jeder orthodoxe Christ kennt das: Sobald die Kirche betreten wird, soll sich anständig angezogen werden. Langer Rock für die Frauen, lange Hose für die Männer, keine freien Schultern. Gelegentlich soll die Frau auch ein Kopftuch tragen, das ist aber nicht in allen Nationalkirchen geboten. In der Kirche wird sich bekreuzigt, und wer den Ritus kennt, verehrt die Ikonen.
Traurigerweise benehmen sich Reisende, welche Klöster oder Kirchen besuchen, nicht nach diesen Regeln. Kurze Röcke, ärmellose Shirts, laute Gespräche. Die Kirchen im Ausland, Orthodoxe sowie Katholische Kirchen, versuchen den Reisenden durch den Verleih von Tüchern, die Regeln der Kirche näher zu bringen. Mit diesem werden die Schultern und nackte Beine bedeckt, so dass die Kirche anständig betreten wird.
Verhältnis zwischen Anstand und Religion
Der Mensch soll sich an gewisse Regeln, innerhalb der Religion, halten. Er betritt einen sakralen Raum, worin sich traditionelle und religiöse Wirklichkeit widerspiegeln. Genau diese Begegnung mit der anderen Religion und Gott soll anständig geschehen. Ich soll die Religion des Anderen respektieren, indem ich mich bemühe in allen meinen Interaktionen anständig mit ihr umzugehen. Damit ist neben der Kleidung, auch die richtige Verhaltensweise gemeint. Ich muss nicht mein Kreuz machen, jedoch sollte ich meine Stimme mäßigen und die Kirche nicht als Museum betrachten, welches schnell durchschritten wird und möglichst viele Fotos geschossen werden. Ohnehin ist die Fotographie in den Gotteshäusern tabu, da Fresken durch den Blitz aus dem Apparat beschädigt werden können.
Zum Teil geht es auch um das Hausrecht, das jede Kirche hat. Die Kirche und ihre Gläubigen geben vor, was anständig ist. Jede Religion hat ihre Regeln. Genau diese gilt es zu beachten. Denn der Respekt gegenüber der Religion zeigt sich nicht, indem ich die Regeln breche, sondern in dem ich sie befolge und ehre. Wenn der Besuch beendet ist, kann das alltägliche Verhalten wiederaufgenommen werden.
Alles Erziehung?
Es gibt zwei Arten der Erziehung im Bezug auf den Respekt gegenüber einer anderen Glaubensgemeinschaft. Die Eine schult einen gesunden Respekt gegenüber allem Fremden, die Andere bringt dem Menschen die Verhaltensweise und Prinzipien der eigenen Religion bei. Beides zusammen spielt wesentlich zusammen. Welchen Respekt kann ich einer fremden Religion erweisen, ohne dass ich gegenüber meinen eigenen religiösen Prinzipien verstoße? Die Fragestellung gilt auch umgekehrt: Inwieweit kann ich einen Konsens zwischen meinen eigenen Prinzipien, mit den Prinzipien einer anderen Religion treffen?
Das ist zu einem gewissen Teil mir selbst überlassen. Wenn ich etwas mit meinem Gewissen vereinbaren kann, sollte ich das tun. Jedoch soll dabei nicht ein Ökumenismus entstehen, indem ich an jedem Ritus der anderen Religion teilnehme, sofern sie es mir erlaubt. Denn letzten Endes ist der Ökumenismus das Überschreiten der Grenzen der anderen Religion, aufgrund fehlender Prinzipien. Denn meine Regeln kann ich überschreiten, jedoch würde ich damit, die Tradition des Anderen verletzen, da ich mich nicht respektvoll zurücknehme. Genau das soll in der Erziehung vermittelt werden: Meine Religion ehren, an meinen Prinzipien festhalten und die andere Religion respektieren und mich in Demut zurückziehen. Dazu gehört auch, die Teilnahme an den rituellen Handlungen der anderen Gemeinschaft, abzulehnen.
Kirchen sind keine Museen
Oft gesehen sind Urlauber, die eine Kirche betreten und nicht respektvoll mit der Tradition des Anderen umgehen. Damit werden religiöse Gefühle verletzt und Linien überschritten. Denn es wird sich mehr angemaßt als eigentlich erlaubt. Viele Orthodoxen Kirchen weisen darauf hin, dass der Respekt der Religion ein wichtiger Umgang in der heutigen globalen Welt ist. Das heißt, ich kann dem Ritus nicht beiwohnen, welchem ich selbst nicht angehörig bin, damit ich an meinen eigenen Prinzipien festhalte und nicht in die jeweils andere Religion hineinsteige, ohne ihr angehörig zu sein. Somit ist das ein Schutz der Kirchen und eine Erziehungsmaßnahme für den Urlauber.
Letzten Endes ist eine Kirche kein Museum oder die Liturgie keine religiöse Veranstaltung, welche „einfach mal so“ besucht werden kann. Es sind Orte, die mit religiösen Gefühlen und Prinzipien gefüllt sind, die nicht überschritten werden dürfen. Deswegen soll der Urlauber anständig bekleidet und mit Respekt eine Kirche betreten und sich in Demut zurücknehmen. Mit den Benimmregeln der anderen Kirche muss er konformgehen und kann möglicherweise etwas für das Leben lernen. Der Mensch soll nicht zu einem Erlebnisjäger werden, indem er an jeder Veranstaltung teilnimmt und jeden Ritus ausführt.