Warum in die Kirche gehen?
In die Kirche gehen, beten, fasten. All das scheint in der Orthodoxie in weite Ferne zu rücken. Die Ausreden um nicht in den Gottesdienst zu gehen sind mannigfaltig. Von fehlendem Ehrgeiz, über Kritik an der Kirche, bis hin zur vollständigen Negierung Gottes.
Ich gehe nicht in die Kirche!
Gott ist doch überall, ich muss dafür nicht in die Kirche. Das Beten von zu Hause aus ist besser. Um in die Kirche zu gehen, dafür habe ich im Leben genug Zeit. Und außerdem: Wer glaubt schon an den Quatsch mit Tod und Auferstehung? Ich glaube zwar, dass es etwas da oben gibt, doch an die Kirche glaube ich nicht. Ich bin doch nur hineingeboren. Als Kind glaubte ich an sowas wie den Nikolaus, Osterhasen oder Christus. Jetzt bin ich erwachsen und Zweifel an diesen Märchen.
Und die Kirche? Die stiehlt nur das Geld von uns armen Menschen. Ich brauche das Geld selbst. Wenn die Kirche Armut predigt, dann sollen die Priester doch in Armut leben. Sie sollen ein Vorbild sein! Die Bischöfe die sind ja die Schlimmsten, die fahren doch alle einen BMW. Die fahren jeden Tag mit dem Auto in eine andere Stadt und besuchen Kirchen. Aber da sie meistens Mönche sind, wissen die wies läuft. Die haben noch einen richtigen Glauben.
Ich suche mir lieber einen Ersatz für die Religion. Eine die mir gut steht! Beispielsweise eine Mischung aus Buddhismus, Yoga und ein bisschen Christentum. Vielleicht noch nordische Religionen, weil sie meinen Mut und Stolz darstellen. Jedoch das Christentum ist mir suspekt. Aber der Dalai Lama, der sagt schon tolle Sachen. Deswegen finde ich den Heiligen Seraphim von Sarow oder den Heiligen Nikolai Velimirovic toll. Die haben noch was zu sagen gehabt. Aber die heutigen Geistlichen sind langweilig. Da schau ich mir lieber Konfuzius an.
Oder ich werde Schamane oder Buddhist. Dann kann ich mich meiner spirituellen Seite hingeben. Die Energien in meinem Körper, das erklärt mir die orthodoxe Kirche nicht. Der Buddhismus hat mir durch Meditationstechniken gezeigt, wie ich mein Mitgefühl steigere. Die Kirche kennt nur Christus und Vergebung. Ich brauche keine Vergebung, da ich alles im Leben richtig machen. Deswegen will ich nicht zur Beichte, das ist doch nur Schabernack.
Gute Gründe in die Kirche zu gehen?
Alles was hier parodiert wurde, wird von Gläubigen tatsächlich behauptet. Vielleicht erkennt sich der Eine oder Andere wieder. Jedoch gibt es wirklich gute Gründe in die Kirche zu gehen. Denn die Kirche ist keine Institution, die versucht dem Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Es geht darum, die Gemeinde mitzutragen und die Kirche zu finanzieren. Außerdem soll keiner in der Kirche hungern und der Arme wird seine Kerze auch ohne Geld anzünden dürfen. Schließlich ist eine Gemeinde immer Gemeinschaft. Niemand lebt und stirbt alleine. Der Priester muss auch, wenn er Familie hat, diese ernähren. Steuern und Heizkosten für die Kirche bezahlen sich nicht von alleine.
Niemand ist perfekt. Das bemerkt man auch in der Kirche. Streit und Probleme sind normal. Auch der Priester ist das eine oder andere Mal in Streitereien verwickelt. Denn die Kirche ist ein Krankenhaus für die Seele. Da kein Mensch perfekt ist, wird man nicht sündelos leben. Der Mensch kann sich aber in seinem Umgang mit Anderen verbessern. Es geht auch um einen wichtigen spirituellen Aspekt. Der Mensch wird durch die Kirche gereinigt. Die Beichte, die Liturgie all das ist Teil des geistlichen Lebens. Es geht um die Einübung von Disziplin und das Eingestehen von Fehlern. Niemand ist fehlerlos und das gibt die Kirche offen zu. Es ist wie mit der Körperhygiene: Irgendwann will ich mich nicht mehr waschen, denn ich bin schon dreckig.
Von zu Hause beten? Natürlich, das soll getan werden! Aber sollte man nicht auch einen guten Freund zu Hause besuchen? Klar kann das argumentative Spielchen weitergetrieben werden: „Wenn Gott doch überall zu Hause ist, muss ich nicht in die Kirche.“ Ja das stimmt. Aber welcher Mensch erkennt Gott, wenn er nicht in die Kirche geht, selbst wenn er mit dem Zaunpfahl winkt?
Ersatzreligionen machen uns wieder zu scheinbar spirituellen Wesen. Wir tauchen in die tiefe Welt des Tantra ab. Doch in Wirklichkeit ist es nur eine Religion-to-go. Denn auch Buddhismus in Asien oder der Hinduismus in Indien, ist weitaus anstrengender als die europäische Light Variante. Spiritualität ist nicht etwas, was auf der Straße liegt. Es ist die tägliche, harte Einübung des Gebetes und des Fastens. Der große Vorteil von anderen Religionen ist, dass wir erfahren was zu tun ist um das eigene spirituelle Leben voranzutreiben. Sie bieten einen To-Do Plan an. Auch die Orthodoxe Kirche tut das, wenn man beispielsweise die Himmelsleiter von Johannes Klimakus liest.
Viel mehr jedoch, geht es aber um das eigene Wohlergehen. Der Mensch soll in die Kirche gehen, weil es ihm gut gehen soll. Durch tägliche Übungen und eine positive Sichtweise der Dinge, wird das Leben verbessert und die Lebensqualität steigt. Studien zeigen, dass das tägliche Beten oder Meditieren die Funktionalität des Gehirns fördert. In der Kirche besteht immer die Möglichkeit zu beten und seiner spirituellen Seite Auslauf zu bieten.