Wenn Orthodox nicht gleich Orthodox ist
Die orthodoxe Kirche scheint mit ihrer Tradition und ihrer Liturgie einzigartig zu sein. Bei genauer Betrachtung ist nicht alles was nach Orthodoxie aussieht, orthodox. Es gibt einige Ostkirchen die mit Rom, also der Katholischen Kirche, uniert sind. Sie nennen sich „Griechisch-Katholisch“. Was ist der Unterschied zwischen den unierten und den orthodoxen Kirchen?
Viele sagen, wenn man eine orthodoxe Kirche betritt, merkt man sofort, dass es eine orthodoxe Liturgie ist. Das ist aber falsch, sobald man in einen byzantinischen Gottesdienst der Römisch-Katholischen Kirche geht. Zuerst sind keine Unterschiede ersichtlich: Gleiche liturgische Gewandung, Ikonostase, Chrysostomos-Liturgie. Doch eine Stelle in der Liturgie wird jedem Orthodoxen auffallen: Der Papst von Rom wird in der Liturgie Komemoriert. Das macht einen wesentlichen Unterschied zwischen den Kirchen aus.
Unierte Kirchen?
Unierte Kirchen gehören der Römisch-Katholischen Kirche an. Sie haben sich in unterschiedlichen Epochen mit Rom zusammengeschlossen. Beispielsweise die Ukrainisch-Griechisch-Katholische-Kirche oder die Melkitisch-Griechisch-Katholische-Kirche. Die Ukrainische Kirche schloss sich 1596 Rom an und bildet mit 5,9 Millionen Gläubigen die größte Griechisch-Katholische Gemeinschaft in der Katholischen Kirche. Eine Union ist aufgrund des großen Einflusses des polnischen Königs Sigismund III. entstanden. Er intensivierte seine Bemühungen in der Ukraine, aufgrund der Zugehörigkeit zu Polen, die katholische Kirche zu stärken. So wurden die Beziehungen zum Patriarchat von Konstantinopel abgebrochen und im Vertrag von Brest 1596 die Katholische von der Ukrainischen Kirche anerkannt. Nur ein kleiner Teil des Klerus akzeptierte die Union. Somit versuchte die unierte Kirche der Ukraine den Klerus zur Union, teilweise mit Waffengewalt, zu zwingen.
Die Melkitische-Kirche hingegen entschied sich im 18. Jahrhundert mit der Kirche von Rom zu unieren. Vorrangegangen war eine Missionierung des orthodoxen Klerus seitens der Katholischen Kirche, wo heimlich ein Teil der Priester zur Kirche von Rom konvertiert war. 1724 wurde der Patriarch Kyrillos VI. zum neuen Patriarchen in Syrien gewählt. Seine Pro-Katholische Einstellung verunsicherte die orthodoxe Kirche in Syrien, sodass Kyrillos VI. abgesetzt und ein neuer pro-orthodoxer Patriarch gewählt wurde. Ab diesem Zeitpunkt standen sich Katholiken und Orthodoxe gegenüber. Kyrillos VI. wurde von Papst Benedikt XIII. als legitimer Patriarch angesehen. Somit stand der Communio zwischen der Melktischen und Römischen Kirche nichts im Weg. 1744 erhielt der Patriarch das Pallium durch den Papst, was die volle Kirchengemeinschaft mit Rom symbolisiert.
Alles gleich?
Für die neuen griechisch-katholischen Kirchen blieb nichts beim Alten. Neben den Auseinandersetzungen mit den orthodoxen Kirchen, erlitten die Gemeinschaft eine Welle der Latinisierung. Die römische Kirche versuchte die ehemaligen Orthodoxen Kirchen zu vereinheitlichen und vollkommen in die lateinische Kirche zu integrieren. Besonders das Kirchenrecht sollte für beide Traditionen dasselbe werden. Das führte zu folgendem Problem: Die Priesterehe war für die ehemaligen Orthodoxen Kirchen erlaubt und Dogmen wie die Unbefleckte Empfängnis waren fremd. Der byzantinische Ritus entspracht nicht der Tridentinischen Messe und wurde weitgehend abgelehnt. Das führte dazu, dass der starke lateinische Einfluss die byzantinische Tradition abschwächte und sie mehr und mehr der römischen Kirchen angepasst wurde.
Das jedoch führte zu Unstimmigkeiten zwischen den Kirchen. Somit musste Rom wieder einlenken, damit sie die Union nicht gefährden würden. Das geltende Kirchenrecht musste also für die katholischen Ostkirchen angepasst werden. Das geschah im Jahr 1957, wo immer wieder neue exklusive Kirchengesetze für die Katholischen Ostkirchen veröffentlicht wurden. Das endet im Jahr 1990, als die Katholischen Ostkirchen ihr eigenes Kirchenrecht erhielten. Den Ostkirchen wurde damit das Recht auf eine eigene Tradition zugesprochen, was zuvor nicht gern gesehen war. Damit dürfen auch in den Katholischen Ostkirchen Priester heiraten und der Patriarch wird nicht vom Papst, sondern von der Synode der jeweiligen Ortskirche ernannt. Das war ein bedeutender Schritt für die Ökumene mit den Orthodoxen Kirchen.
Problem für die Ökumene
Die Katholischen Ostkirchen belasten die Ökumenebeziehungen bis heute schwer. Denn die unierten Kirchen gelten in der Orthodoxie als Verräter und haben einen sehr schlechten Ruf. Auch die Katholische Kirche hat durch ihre Unions- und Missionierungsbewegung tiefe Narben in den Beziehungen zur Orthodoxen Kirche hinterlassen. Heutzutage ist es der jeweils anderen Religion verboten zu Missionieren. Das bedeutet, dass die Orthodoxe Kirche keine Katholischen und die Katholische Kirche keine Orthodoxen Gläubigen offensiv missionieren darf. Dieser Gedanke ist aber nicht vollständig in der Gesellschaft angekommen. Jedoch passte sich Rom über die Zeit hinweg immer mehr der Tradition der Ostkirchen an und öffnete sich für sie. Das förderte die Ökumene und war letztendlich ausschlaggebend für die Aufhebung der gegenseitigen Exkommunizierung im Jahr 1965.
Was die Unierung der Kirchen beweisen ist jedoch, dass die volle Kirchengemeinschaft nicht ohne eine strikte Trennung der beiden Traditionen entstehen kann. Es muss also eine Gemeinschaft die unvermischt und ungeteilt ist vorhanden sein. Nur dann kann die Ökumene ein voller Erfolg werden. Denn ein Einheitsbrei bringt nur weitere Streitpunkte mit sich und führt zu einer größeren Teilung, als zu einer Annäherung. Letzten Endes würden die Kirchen an seriosität verlieren, da sich die eine oder andere Seite verleugnen würde.